Auf dem Weg vom Hauptbahnhof zum Alten Markt laufe ich jedes mal durch den kleinen Park und am Denkmal Ulrichskirche vorbei. Nach dem grauen Bahnhof und dem City Carré ist dies der erste begrünte Ort, welcher auch zum kurzen Verweilen einlädt. Ein spontan entstandenes Gespräch mit einem Anwohner hatte mich kurz nach meinem Umzug nach Magdeburg auf den historischen Charakter des Ortes aufmerksam gemacht. Die Ulrichskirche, welche dort stand wurde nach einem Luftangriff beschädigt, so dass sie 1956 mit weiten Kirchen gesprengt wurde. Am 20. März 2011 kam es zu einem Bürgerentscheid darüber, ob die Ulrichskirche wiederaufgebaut werden solle. Dieser Bürgerentscheid wurde vom Kuratorium zum Wiederaufbau der Ulrichskirche angestoßen und es entstanden Bürger:inneninitiativen für und gegen einen Wiederaufbau. Mit einer Wahlbeteiligung von 56% stimmten 76% der Bürger*innen GEGEN den Wiederaufbau der Ulrichskirche. Auch mein Gesprächspartner war gegen den Wiederaufbau und ist sehr zufrieden mit dem entstandenen Park und dem Brunnen. Ein Park trage als Erholungsfläche für die Anwohner:innen viel zu einer belebten Innenstadt bei, als eine weitere Kirche bei der sowieso hohen Kirchendichte in Magdeburg. Weitere lange Bauarbeiten und die damit verbundenen hohen Kosten würden auch gegen den Wiederaufbau sprechen.
Es ist Freitagabend und ich sitze vor dem Brunnen, im Hintergrund ist der Park zu sehen, wo die Sonne langsam untergeht. In den letzten beiden Stunden konnte ich die Spatzen beobachten, die durch die Gegend gehüpft und geflogen sind um zwischendurch an den Tischen nach Krümeln zu suchen. Immer wieder sind Kinder neugierig zum Brunnen gerannt, haben sich auf die Kante gelegt und versucht mit den Händen ans Wasser zukommen. Dann sind sie wieder aufgesprungen um den Brunnen gerannt und fast hineingefallen. Am Brunnen sitzen verschiedene Menschen, ältere und jüngere, nur für einige Minuten und für längere Zeit. Es ist warm, jedoch trägt der Wind immer wieder Wasserspritzer vom Brunnen zu mir. Das melodische Rauschen des Brunnens und das Murmeln der Menschen lässt den Ort lebendig wirken und übertönt die Geräusche der Straße und Straßenbahn und schirmt den Platz so akustisch ab. Doch als um Punkt 22 Uhr der Brunnen ausgeschaltet wurde fällt auf, dass das ständige Rauschen auch ein Stressfaktor war, zumal inzwischen der Straßenverkehr fast verstummt ist. Die Fassaden der umliegenden Häuser sind mit Stuck verziert und erinnern an ein vergangenes Magdeburg. Nur das große ‚City Carreé‘-Schild fällt als störend auf.
Bilder: Eigene Aufnahmen und Tobias Köppe: Die Magdeburger Ulrichskirche – Geschichte. Gegenwart. Zukunft., Michael Imhof Verlag, Petersberg 2011.
Hannah Siler